Karten und Gesellschaft – Die bemerkenswerte Karte https://bk.dgfk.net Eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Kartographie e. V. (2012-2017) Sun, 16 Jul 2023 13:00:41 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.2.2 Die zerteilten Staaten /2017/01/10/die-zerteilten-staaten/ Tue, 10 Jan 2017 14:35:27 +0000 /?p=1537 Man könnte wohl endlos über für und wider, gut und schlecht von Karten zur Visualisierung von Wahlergebnissen diskutieren. Es gibt viele Ansätze und Methoden, und oft geht hier und da etwas schief. Anhand der zahllosen Karten von US-Wahlen lässt sich ein schöner Überblick verschiedener Typen verschaffen, so gibt es zum Beispiel rot-blaue Choroplethenkarten, rot-blau-gemischte Choroplethen, 3D-Karten, interaktive 3D-Karten, Kartogramme, animierte Kartogramme, „Chartogramme“ und noch vieles mehr.

Auch während und nach dem Ende des wahnwitzigen Wahlkampfs der USA im Jahr 2016 gab es wieder interessante Karten, welche verschiedenste Einblicke ins Wählerverhalten und die regionalen Unterschiede der Wahlergebnisse geben. Besondere Aufmerksamkeit möchten wir hier auf das Kartenpaar der „Two Americas of 2016“ von Tim Wallace der New York Times lenken.

For many Americans, it feels as if the 2016 election split the country in two.

Trump’s America

Trump’s America

Clinton’s America

Clinton’s America

Wallace nimmt hier eine topografische Grundkarte und teilt sie anhand des jeweiligen lokalen Wahlsiegers gebietsweise Trump oder Clinton zu. So entstehen zwei neuartige Kontinente, zwei Amerikas mit neuen Orten und Regionen, Trumps Amerika und Clintons Amerika.

Betrachtet man diese Karten, so wirkt Trumps Wahlsieg eindeutig, schließlich zeigt sich „sein“ Amerika als gigantische, größtenteils zusammenhängende Fläche, während Clinton nur kleinere Inseln für sich beanspruchen kann. Auf die Fläche gerechnet gehören ganze 85% des Landes zu Trump. US-Kennern mag allerdings schon aufgefallen sein, dass viele der größeren Stadtregionen in Clintons Amerika liegen. Und rechnet man die Werte auf die Bevölkerung in den jeweiligen Gebieten zurück, so hätte tatsächlich Clinton mit 54% der US-Bevölkerung die Oberhand. Die endgültigen Zahlen des „Popular Vote“, also der Entscheidung der wählenden Bürger ergaben 50,5% für Clinton, 49,5% für Trump. Aufgrund der Besonderheiten des Wahlsystems der USA wurde dennoch Trump der nächste Präsident.

Diese Karten zeigen mit einem innovativen Ansatz, dass Wahlkarten nicht immer nur in den Parteifarben getönte Flächen sein müssen, sondern auch ein spielerischer Umgang zu lehrreichen Produkten führen kann.

Die Redaktion der New York Times zeichnet sich immer wieder durch innovative und kartografisch eindrucksvolle Werke aus, hier einige weitere Empfehlungen zum Thema:
How Trump Reshaped the Election Map
The Divide Between Red and Blue America Grew Even Deeper in 2016

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Die genaueste Karte der Welt: It’s all about Flächentreue /2016/12/06/die-genaueste-karte-der-welt-its-all-about-flaechentreue/ Tue, 06 Dec 2016 10:17:05 +0000 /?p=1526 Als genaueste Karte der Welt wird derzeit über die AuthaGraph World Map berichtet. Angelehnt an Fullers Dymaxion Map, welche anders als die gängige Mercator-Projektion die Landmassen der Erde verhältnisgleich darstellt und diese an keiner Stelle zerteilt, wird der dreidimensionale Erdball ohne visuelle Verzerrungen auf eine zweidimensionale Karte projiziert.

Der japanische Designer Hajime Narukawa umgeht das Problem einer Mercator-Projektion, die polnahe Landmassen wie Grönland und die Antarktis überdimensioniert sowie Afrika optisch schrumpfen lässt – obgleich Afrika die vierzehnfache Fläche Grönlands beträgt. Dazu wird der Globus in 96 Dreiecke geteilt, welche sich auf einen aufgeblähten Tetraeder übertragen lassen. Der nächste Schritt beinhaltet eine Abflachung des Tetraeders, sodass dieser zu einem flachen Rechteck aufgefaltet werden kann und so eine Karte entsteht.

Flächentreue Projektion eines Globus auf eine zweidimensionale Ebene (AutaGraph)

Flächentreue Projektion eines Globus auf eine zweidimensionale Ebene (AuthaGraph)

Entgegen geläufiger Projektionen bilden Längen- und Breitengrade in der AuthaGraph World Map kein orthogonales Gitternetz. Dahingegen bringt sie die „Vorteile“ mit sich, dass zum Einen kein zentraler Kontinent existiert, nebenbei aber auch direkt bemerkenswerte Erkenntnisse gewonnen werden können, die andere Projektionen nicht ermöglichen (z.B. wird die Antarktis von drei Ozeanen umschlossen: dem Atlantischen Ozean, dem Pazifischer Ozean und dem Indischen Ozean).

Der mosaikartige Aufbau erlaubt eine unendliche Weiterführung der Karte

Der mosaikartige Aufbau erlaubt eine unendliche Weiterführung der Karte

Die Karte ist ähnlich der Flächenfüllung nach M.C. Escher mosaikartig aufgebaut, sodass sie endlos in ihrem Rahmen verschoben werden kann. Die Flächenverhältnisse bleiben erhalten, da die Kontinente nicht gedehnt, sondern nach außen gerichtet werden. Die Kombination aus diesem sogenannten Iso-Area-Mapping sowie dem Prozess des Multilayer-Mapping, welcher mehrere Projektionsmethoden über intermediäre Objekte anwendet, minimiert Fehler in der Projektion von der Sphäre zum Tetraeder.

Der AuthaGraph Globe ist ein schönes Spielzeug, das sich zum Globus oder zur Pyramide falten oder flach als Karte benutzen lässt. Verbessern ließe er sich durch eine Einführung zusätzlicher Dreiecke, die die Flächentreue noch präziser machen.

Die AutaGraph World Map (AutaGraph)

Die AuthaGraph World Map (AuthaGraph)

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Die relative Größe zählt: Comparative Size of Lakes and Islands /2016/07/19/die-relative-groesse-zaehlt-comparative-size-of-lakes-and-islands/ /2016/07/19/die-relative-groesse-zaehlt-comparative-size-of-lakes-and-islands/#comments Tue, 19 Jul 2016 13:53:32 +0000 /?p=1433 Bevor nach einer unfreiwilligen Sommerpause im Juni nun auch der Juli ohne einen neuen Beitrag in unserem Blog verbleibt, hier nun endlich eine „neue“ Bemerkenswerte Karte:

The true size of Africa in flächentreuer Projektion von Kenneth Field

The true size of Africa in flächentreuer Projektion von Kenneth Field


Wahre Größe
Kai Krauses The true size of Africa Illustration hat wohl jeder schon einmal gesehen, Kenneth Fields Kritik an der verwendeten, nicht flächentreuen Kartenprojektion hoffentlich auch (jetzt auch in 3D). Die Überlagerung mehrerer Länder auf die Fläche Afrikas ist wohl das bekannteste Beispiel für eine Karte zum Zweck des Größenvergleichs weit von einander entfernter Länder beziehungsweise Kontinente.

Ähnliche Karten gibt es auch interaktiv: MAPfrappe ist hierbei „das“ Urgestein, schon seit 2006 kann man hier beliebige Formen auf eine Google Karte zeichnen und diese dann unter automatischer Berücksichtigung der Projektion in eine andere Gegend der Welt verschieben. Damit ist ein einfacher Vergleich beliebiger geografischer Elemente möglich. Dies begeistert so viele Menschen, dass sich eine rege Community gebildet hat, welche unter anderem nachgezeichnete Grenzlinien direkt zur weiteren Verwendung durch andere anbietet.

Der reißerische Titel „The True Size Of …“ ist seit 2015 auch Namensgeber der MAPfrappe ähnlichen Webseite thetruesize.com. Hier lassen sich zwar „nur“ vorgefertigte Landesflächen vergleichen, diese können aber (mit dem Kompass im unteren linken Bildteil) gedreht werden, um sie bestmöglich zu vergleichen.

Mercator Puzzle

Mercator Puzzle


Mit Merkator puzzeln
In Code-Beispielen für die Verwendung der Google Maps API fand sich früher ein kleines Spiel: 15 ausgewählte, aber zufällig über die Karte verteilte Grenzumrisse verschiedener Länder mussten auf ihre korrekte Position geschoben werden. Aufgrund der starken Verzerrung der Merkator-Projektion kein leichtes Unterfangen. In der Wayback Machine des Internet Archive lebt das Spiel weiter: Mercator Puzzle!

Eine darauf aufbauende Weiterentwicklung ist das Mercator Puzzle Redux. Hier werden die Länder komplett zufällig ausgewählt, was den Schwierigkeitsgrad stark erhöht. Waren in der Originalversion noch verhältnismäßig charakteristische Formen zu erkennen, muss man nun schon ein gewiefter Geograf sein, um zu erraten um welche Länder es sich handelt.

Seen und Inseln aus aller Welt, vereint
Kommen wir nun aber endlich zur Karte, welche diesen Beitrag inspirierte. Sie ist rund 150 Jahre alt und vielfach kopiert, wenn nicht selbst schon eine Kopie vorheriger Werke: Comparative Size of Lakes and Islands aus G.W. Coltons General Atlas zeigt, wie der Name schon sagt, verschiedene Seen und Inseln in gleichem Maßstab.

Lakes in the eastern and western hemisphere

Lakes in the eastern and western hemisphere

Durch die räumliche Nähe auf dem Kartenblatt ergeben sich interessante Einblicke. Wir können zum Beispiel sehen, dass Island und Neufundland von sehr ähnlicher Größe sind. England würde ins Kaspische Meer passen und Irland hat etwa dieselbe Fläche wie Ceylon.

Islands in the eastern and western hemisphere

Islands in the eastern and western hemisphere

Weitere ähnliche Karten finden sich in der Gallery of Mid-19th Century Comparative Maps des Basement Geographers.

Nun sind jene alten Karten in ihrem Inhalt natürlich strikt der Auswahl des jeweiligen Kartografen untergeben, da ist es umso erfreulicher, dass moderne Web-Techniken nun jedem interessierten Nutzer die Möglichkeit bieten, geografische Begebenheiten entsprechend zu vergleichen.

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Eine Geschichte des Passagierflugs /2015/12/02/eine-geschichte-des-passagierflugs/ Wed, 02 Dec 2015 13:25:39 +0000 /?p=1263

Serie „Typen von Karten und Kartenproduktionen“

Denkt man an Kartentypen, so fallen einem diverse Kategorien ein, nach denen eine Einteilung erfolgen kann. Je nach Datenpräsentation, Maßstab, Thematik, Nutzergruppe, Herausgeber der Karte usw. unterscheidet man zum Beispiel zwischen interaktiven Karten, Weltkarten, Stadtplänen, Wanderkarten, geologischen Karten, Wetterkarten oder historischen Karten. Dieser Blog gibt bereits einen ausführlichen Überblick über diverse Kartentypen, wie historische Karten, Karten an der Schnittstelle zur Kunst, Kartogramme etc. In dieser Serien wollen wir daher ganz speziell drei besondere Kartentypen behandeln, die allgegenwärtig und nicht wegzudenken sind. Wir beginnen unsere Serie mit der Tube Map von H.C. Beck, dem Liniennetzplan der Londoner Underground, der einen Kultstatus einnimmt und behandeln danach Cluster Karten und Flow Karten.

„Karten sind graphische Repräsentationen, die ein räumliches Verständnis von Dingen, Konzepten, Zuständen, Prozessen und Ereignissen ermöglichen“ (Harley und Woodward, 1987:xvi). In diesem Sinne stellen wir Ihnen eine Anwendung vor, die die Geschichte von 100 Jahren Passagierflug datenjournalistisch aufbereitet. In flight: see the planes in the sky right now, entwickelt vom preisgekrönten Datenvisualisierungs und Digitaljournalismus Studio KILN, wurde im Mai 2014 auf der Webseite des The Guardian veröffentlicht und besteht aus vier Teilen: einer animierten Flowmap aller Passagierflugzeuge weltweit, einer Einführung in die Entstehung der Luftfahrtindustrie anhand von Fotos, einem Kurzbericht über den Anstieg der verkauften Flugtickets und Diagramme über die Auswirkungen der Luftfahrt, beispeilsweise auf den Ölverbrauch. Um diese Inhalte verständlich zu machen, wurde die animierte Visualisierung mit einem Audio-Begleitkommentar versehen, das anhand der JavaScript Bibliothek Talkie, ebenso von KILN, erstellt wurde und die Nutzer wie in einer Dokumentation durch die Inhalte führt.

Das Herzstück: Die Visualsierung aller Flugezuge, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Luft befinden. © The Guardian

Das Herzstück: Die Visualisierung aller Flugzeuge, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Luft befinden. © The Guardian

Auf Wunsch wird statisch das Flugnetz angezeigt. © The Guardian

Auf Wunsch wird statisch das Flugnetz angezeigt. © The Guardian

Von größtem Interesse ist das Herzstück der interaktiven, animierten Visualisierung, die animierte Flowmap aller Passagierflugzeuge weltweit. Diese ist unter dem Menüpunkt „Mapping the Skies“ zu finden. Dargestellt werden alle Flugzeuge, die vom 10.5.2014, 14:55 Uhr bis 11.5.2014, 12:15 Uhr in der Luft waren. Die Flugdaten stammen von Flightstats. Neben dieser animierten Ansicht lässt sich über Buttons links oben auch die statische Ansicht aller Flugrouten einblenden, die die Vernetzung der Orte und die ungleiche Verteilung der Verbindungen mit dichten Netzen über Europa, den USA und Ostasien zeigt.

Die Karte ist einfach gehalten, die Ozeane in dunkelblau und die Landmasse als Relief in Blauabstufungen. Die Flugzeuge werden in der animierten Ansicht kometenartig dargestellt. Ihre Flugrichtung kann man durch den Schweif, den sie hinter sich her ziehen, nachvollziehen. Eine sehr feine Haarlinie bleibt nach dem Überflug bestehen und deutet die Route an.

Die Richtung der Flugzeuge ist aufgrund der kometenhaften Schweife deutlich. Schön zu sehen ist auch das Relief der Alpen. © The Guardian

Die Richtung der Flugzeuge ist aufgrund der kometenhaften Schweife deutlich. Schön zu sehen ist das Relief der Alpen. © The Guardian

Interessant gelöst ist die Angabe der Zeit in der Animation. Während rechts oben klassischerweise die Zeit mitläuft, bewegt sich über die Bildmitte quasi eine Zeitachse, d. h. die Begriffe „Midnight“ und „6am“ bewegen sich von rechts nach links über den Bildschirm und helfen bei der zeitlichen Einordnung ohne, dass der Blick von der Karte abgewendet werden muss.

Zwar sehr einfach gehalten, ist diese Karte ein schönes Beispiel einer datenreichen Visualisierung, die durch Zusatzinformationen, wie Statistiken und Fotos, sowie Audio-Begleitkommentare eine Geschichte erzählt und somit für eine breite Nutzergruppe geeignet ist.

Visualisierungen des Flugverkehrs sind zurzeit sehr beliebt. Ein weiteres Beispiel sind die als Videos veröffentlichten Visualisierungen der NATS Holding, einem Informationsdienst für den Luftverkehr. Im Video unten sehen Sie Europe 24, das Video einer Visualisierung des Flugverkehrs über Europa an einem „typischen“ Sommertag als klassische „Glow Map“ mit dunklem Hintergrund und den Flugrouten als glühende Linien. Besonders eindrucksvoll ist auch die überlagerte farbige Visualisierung der Landungen und Starts der fünf Londoner Flughäfen, ebenso von NATS.

Europe 24 from NATS on Vimeo.

Möchte man noch tiefer in die Materie einsteigen, eignet sich LuciadRIA 3D, ihres Zeichens eine Anwendung um den Flugverkehr zu analysieren. Dieser virtuelle Globus mit Satellitenbilddarstellung zeigt rund 70 000 Flugrouten und 3 500 000 Positionen. Die Daten stammen von Flightradar24 und zeigen den Flugverkehr vom 13. bis 14. Januar 2015 von 10h bis 10h. Am Globus gibt es keinerlei Beschriftung oder Signaturen für Flughäfen, daher ist die Suchfunktion sehr zielführend um einzelne Flughäfen anzuzeigen oder nach Fluggesellschaften zu filtern.

Der virtuelle Globus zeigt den Flugverkehr von 14. bis 15. Januar 2015 © LuciadRIA 3D

Der virtuelle Globus zeigt den Flugverkehr von 14. bis 15. Januar 2015. Die orangen Objekte stellen den Luftraum der amerikanischen Flughäfen dar (für Details siehe rechts). © LuciadRIA 3D

Der Luftraum und an- und Abflüge am Flughafen J F Kennedy in New York. © LuciadRIA 3D

Der Luftraum und An- (rot) und Abflüge (blau) des John F. Kennedy International Airports in New York um 21:24h. © LuciadRIA 3D

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen

Harley, J. B. und Woodward, D. (eds.) (1987). Cartography in Prehistoric, Ancient, and Medieval Europe and the Mediterranean. Volume 1 of The History of Cartography. University of Chicago Press: Chicago and London. Frei online erhältlich.

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Becks kultige Tube Map /2015/10/06/becks-kultige-tube-map/ Tue, 06 Oct 2015 10:00:58 +0000 /?p=1214

Serie „Typen von Karten und Kartenproduktionen“

Denkt man an Kartentypen, so fallen einem diverse Kategorien ein, nach denen eine Einteilung erfolgen kann. Je nach Datenpräsentation, Maßstab, Thematik, Nutzergruppe, Herausgeber der Karte usw. unterscheidet man zum Beispiel zwischen interaktiven Karten, Weltkarten, Stadtplänen, Wanderkarten, geologischen Karten, Wetterkarten oder historischen Karten. Dieser Blog gibt bereits einen ausführlichen Überblick über diverse Kartentypen, wie historische Karten, Karten an der Schnittstelle zur Kunst, Kartogramme etc. In dieser Serien wollen wir daher ganz speziell drei besondere Kartentypen behandeln, die allgegenwärtig und nicht wegzudenken sind. Wir beginnen unsere Serie mit der Tube Map von H.C. Beck, dem Liniennetzplan der Londoner Underground, der einen Kultstatus einnimmt und behandeln danach Cluster Karten und Flow Karten.

Es gibt eine Karte, die als Ikone in die Geschichte einging und damit diverse schematische Liniennetzpläne, die wir heute verwenden, nachhaltig geprägt hat: Die Tube Map von Harry Beck.

Becks Tube Map fand nach anfänglicher Skepsis große Beliebtheit und wurde schließlich 1933 als regulärer Liniennetzplan vom damaligen The London Passenger Transport Board (heute Transport for London (TFL)) eingesetzt. (© Transport for London)

Abb. 1: Becks Tube Map fand nach anfänglicher Skepsis große Beliebtheit und wurde schließlich 1933 als regulärer Liniennetzplan vom damaligen The London Passenger Transport Board (heute Transport for London (TFL)) eingesetzt (© Transport for London). Eine größere Abbildung finden Sie hier.

 

Harry Beck (*1902, †1974) war als technischer Zeichner bei London Underground tätig, zu einer Zeit als Liniennetzpläne noch topografisch richtig, also entsprechend der Geografie, dargestellt wurden. Meistens wurden die Linien auf einem Stadtplan eingezeichnet, wie dieser Überblick über historische Liniennetzpläne von London zeigt. Becks Annahme war, dass topografische Lagetreue bei Liniennetzplänen nicht zwangsläufig notwendig sei, nur die Topologie, die räumliche Beziehung zwischen den Stationen untereinander, sei entscheidend. Er löste sich somit von der Vorstellung, dass in U-Bahn Plänen die unterirdische Geografie direkt mit der überirdischen Geografie verbunden sein müsse. Daher konzentrierte er sich bei seinem Entwurf eines neuen Liniennetzplanes 1931 auf die wesentlichen Elemente, die zur Orientierung und Fortbewegung im unterirdischen London notwendig sind: Linien und Stationen, sowie Umsteigemöglichkeiten. Durch hohe Abstraktion schuf er so eine sehr übersichtliche Darstellung, in der keine unnötigen Symbole ablenken. Die Linien verlaufen in einem regelmäßigen Muster entweder horizontal, vertikal, oder in einem diagonalen 45°-Grad-Winkel, was ihn zum Wegbereiter moderner Streckenpläne machte. Da die Stationen im Zentrum nahe beieinander und in den Vororten weit auseinander liegen entwickelte er eine schematische Darstellung, in welcher der Abstand zwischen den Stationen gleichmäßig und ähnlich groß ist (Abb. 1), was zusätzlich eine Ordnung und dadurch Überblick schafft, um den Nutzern ein nutzerfreundliches Hilfsmittel zur effizienten Fortbewegung zur Verfügung zu stellen (Abb. 2).

Die Ähnlichkeit von Becks Darstellung mit einem elektrischen Schaltplan ist unverkennbar und mit Blick auf Becks Beruf als technischer Zeichner auch nicht überraschend. Becks Darstellung war zwar eine Innovation, dennoch war er nicht der einzige, der eine abstrahierte Darstellung vorschlug, der Berliner Liniennetzplan von 1931 verfolgte ein ähnliches Konzept. Dieser war allerdings nicht so klar im Design, da wesentlich mehr Symbole verwendet wurden.

Abb. 2: Die Tube Map von 1926 wirkt im Vergleich zum schematischen Liniennetzplan von Beck unübersichtlich (© Transport for London).

Abb. 2: Die Tube Map von 1926 wirkt im Vergleich zum schematischen Liniennetzplan von Beck unübersichtlich (© Transport for London).

 

Nicht jeder war anfangs von Becks Entwurf überzeugt. Nach einem Testlauf mit geringer Auflage jedoch fand Becks Tube Map großen Zuspruch und wurde im Jahr 1933 von The London Passenger Transport Board (heute Transport for London (TFL)) veröffentlicht und war mit einer Auflage von 850.000 Stück in den ersten zwei Monaten ein großer Erfolg. Seither wurde die ursprüngliche Version mehrfach überarbeitet, die Grundzüge blieben aber auch in der aktuellen Version bestehen.

Obwohl die Klarheit der abstrahierten Darstellung ein Vorteil ist, sollte nicht unbeachtet bleiben, dass es durch diese Verzerrung eine Beeinflussung der Wahrnehmung von Städten geben kann. Visualisiert wird solch eine Verzerrung zwischen abstrahiertem Netzplan und der Geographie z. B. im Projekt Shanghai Metro Flow von Till Nagel und Benedikt Groß. Dabei wird die Animation der Shanghaier Züge entlang der geographischen Originalrouten mit einer Animation der Züge entlang des Liniennetzplanes gemorpht. Die große Verzerrung wird dadurch deutlich, ebenso wie im Projekt Metrography von Benedikt Groß, in dem eine Karte von London entsprechend der aktuellen Tube Map verzerrt wurde.

Für die schematische Darstellung eines Liniennetzplans des öffentlichen Verkehrs gab es bisher keine Standardisierung, alle Beispiele bedienen sich mehr oder minder am Schema Becks. Ein aktueller Versuch einer Standardisierung stammt vom jungen Architekten Jug Cerovic, der den Metro Mapping Standard INAT definiert hat und auf dieser Basis für diverse Städte aktualisierte U-Bahn-Liniennetzpläne veröffentlicht hat, auch für London (Abb. 3).

Abb. 3: Der U-Bahn-Liniennetzplan von London nach dem Metro Mapping Standard INAT (©INAT, Jug Cerovic).

Abb. 3: Der U-Bahn-Liniennetzplan von London nach dem Metro Mapping Standard INAT (©INAT, Jug Cerovic).

 

Mittlerweile ist die Darstellung von Beck zu einer Ikone geworden, die mannigfach für diverse Zwecke „ausgebeutet“ wurde. Ein Artikel in The Cartographic Journal von Field und Cartwright (2014) mit dem Titel Becksploitation: The Over-use of a Cartographic Icon (freier Preprint, Kens Blogeintrag) behandelt dieses Thema ausführlich und bietet einen Überblick über diverse Darstellungen, die Becks Werk zum Vorbild hatten oder imitieren. Field und Cartwrights Arbeit kulminiert in einer „tube map of tube maps“, der End of the Line. Diese ist das Endprodukt einer Analyse von über 200 Karten und ordnet die Karten entlang der Tube-Linien nach Kategorien wie künstlerisch, satirisch oder Werbung etc.

Aufgrund der hohen Abstraktion und der Verzerrung wurde in der Vergangenheit die Frage aufgeworfen, ob Becks Liniennetzplan denn überhaupt eine Karte und nicht vielmehr ein Diagramm sei. Cartwright (2012) ging dieser Frage nach und befragte die kartografische Community. Von insgesamt 66 Antworten lauteten 37 auf Karte. Als Gründe wurden u. a. die Abbildung der räumlichen Beziehungen oder die Struktur und Ordnung der Information nach deren räumlicher Komponente genannt. Dieser Ansicht schließt sich die Autorin an und sieht in Becks Darstellung eine schematische Karte. Wie auch immer, unumstritten ist, dass diese Darstellungsart heute noch ein effizientes und handliches Kommunikationsmittel ist. (BW)

 

Weitere Information

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Vor lauter Karten den Wald sehen – Global Forest Watch /2015/03/04/global-forest-watch/ Wed, 04 Mar 2015 16:00:05 +0000 /?p=779

Serie „Karten und Gesellschaft“

Karten haben schon immer die Gesellschaft geprägt und umgekehrt – als Datenspeicher und Hilfsmittel zur Orientierung, aber auch als Mittel des Ausdrucks von Einheit oder Macht. Unsere Beiträge der Serie „Karten und Gesellschaft“, zum Start des International Map Year, skizzieren diese Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Karte. Wir stellen Ihnen drei Weltkarten vor, die einerseits das Weltbild der Zeit der Erstellung bzw. der Ersteller kristallisieren, die Sicht der Menschen auf die Welt beeinflussen und die Interaktion der Menschen mit der physischen Umwelt thematisieren.

Karten sind Abstraktionen, sie lassen Dinge verschwinden und heben dafür andere Aspekte hervor. Vielfach zeigen sie, als Ergebnis einer Synthese, Phänomene, die wir mit freiem Auge nicht sehen können – genau das macht sie so spannend und wertvoll. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaft verdanken wir Karten Einblick in viele globale Phänomene, wie auch die Veränderung der weltweiten Waldflächen.

Die Beziehung zwischen Mensch und Wald ist eine bedeutsame. Ob als Bau- oder Brennmaterial, zur Erholung oder als Schutz, aus ökonomischen oder ökologischen Gründen, Bäume liegen vielen Menschen am Herzen – ganz abgesehen davon, dass wir aus diversen ökologischen Gründen auf Bäume angewiesen sind. Nahe liegt daher das Monitoring der globalen Waldflächen, in dem Karten eine wesentliche Rolle spielen.

Wir stellen Ihnen daher das interaktive Wald Monitoring- und Warnsystem Global Forest Watch (GFW) vor, das mit dem Ziel des Empowerments geschaffen wurde, indem Menschen überall auf der Welt mit Information versorgt werden, um sich für den Schutz der Waldflächen einzusetzen. GFW ist eine Partnerschaft von über 40 globalen Unternehmen, u. a. Google, Unilever und Esri, sowie Organisationen, die Daten, Expertise oder eine Finanzierung zur Verfügung stellen. Ganz uneigennützig dürfte die Beteiligung großer Konzerne nicht sein, sie haben ein Interesse sich gegen Vorwürfe der Rodung etc. im Zuge der Produktion von z. B. Palmöl rechtzufertigen. Einberufen wurde die Initiative vom World Resources Institute einer globalen Forschungsorganisation.

Die Rückgang (pink) sowie Zuwachs (blau) der globalen Waldflächen in einer Auflösung von 30m. Durch die Vermischung der beiden Farben zu Lila, werden Orte mit einer dynamischen Waldflächenveränderung erkennbar. (Global Forest Watch)

Die Rückgang (pink) sowie Zuwachs (blau) der globalen Waldflächen in einer Auflösung von 30 m. Durch die Vermischung der beiden Farben zu Lila, werden Orte mit einer dynamischen Waldflächenveränderung erkennbar. In der Leiste unten kann der Zeitraum der Visualisierung gewählt werden und eine Animation gestartet werden. (Global Forest Watch)

Aktive Feuer für die letzten yyyy Tage werden beinahe in Echtzeit gezeigt. Die Information  (Global Forest Watch)

Aktive Feuer der letzten 7 Tage, auf Basis von Daten des NASA MODIS Satelliten, werden beinahe in Echtzeit gezeigt. (Global Forest Watch)

Im Zentrum der Plattform, die in 15 Sprachen zur Verfügung steht, ist eine interaktive Weltkarte in der diverse Daten als Layer eingeblendet werden können. Zur Verfügung stehen in einem Menü Layer zum Thema Waldflächenveränderung, Waldbedeckung, Waldnutzung, Naturschutz, Bevölkerung und „Stories“. Unter jedem Punkt befinden sich diverse Informationen, die „ein- und ausgeschaltet“ werden können, was sehr übersichtlich ist und eine unkomplizierte Handhabung der Layer ermöglicht. In der Legende befindet sich neben jeder Ebene ein kleines Icon, mit dem genaue Informationen zum Datensatz aufgerufen werden können. Dadurch wird die Plattform ziemlich detailliert und umfangreich, was so manchem Laien zu viel sein kann, v. a. weil diese wenig Hintergrundwissen zu den verwendeten Fachbegriffen haben dürften. Andererseits ist ein Verständnis der Inhalte ohne diese Hintergrundinformation nicht möglich. Als grafische Variable wird durchwegs Farbe eingesetzt, teilweise in Helligkeitsstufen und mit Transparenz, was beim Einblenden zu vieler Layer zu starker Überdeckung führen kann.

zugegeben, hier haben wir es mit der Anzahl der eingblendeten layer ein bisschen übertreiben. (Global Forest Watch)

Zugegeben, hier haben wir es mit der Anzahl der eingeblendeten Layer ein bisschen übertreiben. Anhand des Menüs (oben) erkennt man, wie die Layer organisiert sind. (Global Forest Watch)

Die beiden größten flächendeckenden Datensätze sind „tree cover gain“ und „tree cover loss“, die von Wissenschaftlern der University of Maryland und von Google aus Landsat 7 ETM+ Satellitenbilddaten für die Jahre 2001 bis 2012 gewonnen wurden. Dafür wurden 650.000 Satellitenbilder mit einer Auflösung von 30 m in der Google Earth Engine verarbeitet, was in einem sehr hohen Detailgrad, auch für lokale Untersuchungen, resultiert. Die Daten zeigen weltweit einen Rückgang von 2,3 Mio. km² Waldfläche aufgrund von Stürmen, Feuer und Abholzung sowie eine Zunahme von 800 000 km². Ein Artikel in der Zeitschrift Science beschreibt die Aufarbeitung und Interpretation der Daten.

Die Plattform ermöglicht den Nutzern eine Vielzahl von Einstellungen zu tätigen und auch nutzerdefiniere Gebiete zu analysieren. (Global Forest Watch)

Die Plattform ermöglicht den Nutzern eine Vielzahl von Einstellungen und auch nutzerdefinierte Gebiete zu analysieren. (Global Forest Watch)

Die Initiative ist ein Beispiel dafür, wie Erkenntnisse aus der Wissenschaft durch Unterstützung großer Unternehmen wieder in die Gesellschaft zurückgelangen, zur Information, als Datenbank und auch als Grundlage für weitere Entwicklungen. Denn wider Erwarten sind die Global Forest Watch Webseite und API open-source und bei GitHub gehostet. Das heißt Interessierte können ihre Projekte auf Bestehendes aufbauen, auf die Daten haben sie ebenso Zugriff. Den gewähren die Wissenschaftler des Department of Geographical Sciences der University of Maryland. Sie sind unter der Creative Commons Lizenz frei und für jeden Zweck verfügbar.

Sogenannte "User Stories", Beiträge von interessierten werden in einem eigenen Layer angezeit. (Global Forest Watch)

Sogenannte „User Stories“, Beiträge von Interessierten werden in einem eigenen Layer angezeit. (Global Forest Watch)

Zum Mitmachen werden Nutzer, wie die lokale Standortgemeinde oder Aktivisten, auch in anderer Hinsicht aufgerufen, sie können ihre „Stories“, zum Beispiel beobachtete illegale Vorgehen, posten, die dann im Layer „User stories“ einzublenden sind, in Diskussionsforen diskutieren, Benachrichtigungen abonnieren oder Daten beisteuern.

Die Webseite wurde von Vizzuality umgesetzt, einer Firma mit Sitz in den USA und Spanien, bei der leider kein einziger Kartograph beschäftigt zu sein scheint. Dennoch Gratulation zu diesem gelungenen Produkt, das sicher vielen Menschen Lust darauf macht, sich einmal mit den globalen Waldflächen zu beschäftigen und sich vor eine ansprechende kartenbasierte Webanwendung zu setzen – denn die Daten alleine sind nicht hübsch, wie ein Vergleich mit der Visualisierung der University of Maryland zeigt, den Erstellern des Datensatzes. (BW)

Weitere Informationen

Google Tree Cover Loss Daten des Department of Geographical Sciences der University of Maryland

BBC Berichterstattung zu Global Forest Watch

BBC Berichterstattung zum Datensatz

Artikel der den Datensatz und die Auswertung beschreibt: M. C. Hansen1, P. V. Potapov, R. Moore, M. Hancher, S. A. Turubanova, A. Tyukavina, D. Thau, S. V. Stehman, S. J. Goetz, T. R. Loveland, A. Kommareddy, A. Egorov, L. Chini, C. O. Justice, and J. R. G. Townshend (2013). High-Resolution Global Maps of 21st-Century Forest Cover Change, Science, November 2013, Vol. 342, no. 6160, pp. 850-853. http://www.sciencemag.org/content/342/6160/850

Global tree cover als “gridded cartogram“

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Die Peters-Projektion – die einzige „Alternative“? /2015/02/04/die-peters-projektion/ /2015/02/04/die-peters-projektion/#comments Wed, 04 Feb 2015 09:00:26 +0000 /?p=736

Serie „Karten und Gesellschaft“

Karten haben schon immer die Gesellschaft geprägt und umgekehrt – als Datenspeicher und Hilfsmittel zur Orientierung, aber auch als Mittel des Ausdrucks von Einheit oder Macht. Unsere Beiträge der Serie „Karten und Gesellschaft“, zum Start des International Map Year, skizzieren diese Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Karte. Wir stellen Ihnen drei Weltkarten vor, die einerseits das Weltbild der Zeit der Erstellung bzw. der Ersteller kristallisieren, die Sicht der Menschen auf die Welt beeinflussen und die Interaktion der Menschen mit der physischen Umwelt thematisieren.

Verwendung der Peters-Projektion für eine Satellitenbildkarte (By Mdf at en.wikipedia [Public domain], from Wikimedia Commons)

Verwendung der Peters-Projektion für eine Satellitenbildkarte (Public domain, via Wikimedia Commons)

Die Tatsache, dass die Erde rund ist, die Karten, die wir zu Rate ziehen aber meistens handlich zweidimensional sind, hat schon viele Diskussionen verursacht. Anschaulich dargestellt wird die Herausforderung anhand des Versuchs die Schale einer Orange flach auszubreiten, mit einem Augenzwinkern auch „orange peel problem“ genannt, wie in diesem Video illustriert.

Von Seiten der Experten der Deutschen Gesellschaft für Kartographie heißt es: „Grundsätzlich kann die dreidimensionale Kugeloberfläche der Erde nicht in einer exakt übereinstimmenden, wirklichkeitsgetreu-objektiven Abbildung in die zweidimensionale Ebene eines Kartenblattes übertragen werden (mathematischer Beweis von L. Euler, 1777)“ (DGfK, 1985, S. 1). Jede Abbildung verzerrt entweder die Flächengröße, die Strecken oder die Winkel zwischen zwei Orten, was in einem veränderten Aussehen der Umrisse der Landmasse resultiert.

Je nach Zweck der Kartennutzung ist somit eine funktionsgerechte Projektion zu wählen. Von den Kartenerstellern nicht zu vergessen ist jedoch die Information, die durch die Kartenprojektion und das Kartendesign zusätzlich zum Karteninhalt an die Kartenleser weitergegeben wird. Die Frage hier ist, was wollen wir vermitteln? Für die meisten Anwendungen soll ein möglichst genaues Abbild der Erde vermittelt werden. Hierfür muss aber bestimmt werden, wodurch sich dieses Abbild auszeichnet: Realgetreue Größe der Flächen, realgetreue Strecken oder realgetreue Winkel und was soll im Zentrum der Karte und somit der Aufmerksamkeit stehen? Es ist nicht zu verleugnen, dass eine Entscheidung darüber politische und ideologische Gründe haben kann.

Auch wenn das Thema Projektionen für Kartographen ein alter Hut ist und die DGFK bereits 1985 bestätigte, dass die Fachwissenschaft für den Entwurf von Weltkarten längst sachgerechte Lösungen entwickelt hat, so ist Nicht-Kartographen die Vielfalt an Möglichkeiten oftmals nicht bewusst. Besondere Aufmerksamkeit erhielt daher die Peters-Projektion, die in den siebziger Jahren von Arno Peters vorgestellt wurde. Sie basiert allerdings auf Vorarbeiten anderer Kartographen, daher wird im Englischen auch die Bezeichnung „Gall-Peters Projection“ verwendet.

Die Eigenschaft, die von Peters besonders beworben wurde, ist ihre Flächentreue, d. h. die dargestellten Flächen entsprechen ihrer wahren relativen Größe, anders zum Beispiel als in der Mercator Projektion, die oft als Sparringspartner gesehen wird. Das ist jedoch ein unangebrachter Vergleich, denn deren Zweck lag aufgrund der Winkel- und Streckentreue in der Navigation. Vielfach wird die Peters-Projektion sogar als „einzige korrekte Darstellung“ propagiert, da sie z. B. Afrika in wahrer Größe darstellt und nicht die Flächen der nördlichen Hemisphäre stärker hervorhebt, was ideologische Diskussionen auslösen kann. Die Deutsche Kartographische Gesellschaft äußert sich kritisch zur Flächentreue der Projektion und gibt Abweichungen von bis zu 12 Prozent zu den tatsächlichen Flächen an (DGfK, 1985).

Die strecken- und winkeltreue Mercator Projektion (© DGfK, 1985, S. 4)

Die strecken- und winkeltreue Mercator Projektion zeigt Flächen im Bereich des Äquators kleiner als in Nähe der Pole, was immer wieder zu politischen Diskussionen über Kartenprojektionen führt (© DGfK, 1985, S. 4).

Verzerrungsellipsen zeigen die starken Verzerrungseigenschaften der Mercator Projektion

Verzerrungsellipsen zeigen die starken Verzerrungseigenschaften der Mercator Projektion (Stefan Kühn, CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein weiterer Kritikpunkt an der Projektion ist die starke Verzerrung, die u. a. daraus resultiert, dass die Karte rechteckig ist: Die Gebiete um den Äquator sind stark in die Länge gezogen, während die Gebiete an den Polen stark in die Breite gezogen sind, was bei einem Vergleich mit einem Globus nicht als originalgetreu zu bewerten ist.

Die orangen Verzerrungsellipsen zeigen die Verzerrungseigenschaften der Peters-Projektion: Am Äquator besteht ein Seitenverhältnis von 2:1 und zieht dadurch Afrika und Südamerkia stark in die Länge (By Eric Gaba (Sting - fr:Sting) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0-3.0-2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons)

Die orangen Verzerrungsellipsen zeigen die Verzerrungseigenschaften der Peters-Projektion: Am Äquator besteht ein Seitenverhältnis von 2:1, Afrika und Südamerka sind dadurch stark in die Länge gezogen (Eric Gaba, CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0, via Wikimedia Commons)

Doch es scheint eben gerade diese Verzerrung zu sein, die zum Markenzeichen dieser Projektion wurde und den Wiedererkennungswert steigert. Die große Bekanntheit der Karte und ihre Verwendung als kritische, postkolonialistische Stellungnahme sind zweifelsohne einer gezielten Vermarktung durch Peters und eben diesem Wiedererkennungswert zuzuschreiben, denn er ermöglicht es, eine Karte als klar zu erkennendes Statement einzusetzen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es kein objektives, exaktes Abbild der Erde in Karten gibt. Erfreulicherweise aber hat die Kartographie eine Vielzahl an ausgereiften Projektionen zu bieten, wie die flächen- und lagetreuen Projektionen nach Mollweide, Behrmann und Eckert (siehe Abbildungen unten), die weitaus geringere Verzerrungen als die nach Peters erzielen. Des Weiteren gibt es die sogenannten vermittelnden Entwürfe, in denen die drei Eigenschaften Strecken-, Winkel- und Flächentreue „in größtmöglicher Annäherung“ realisiert sind (DGfK, 1985, S. 11). Empfohlen werden hierbei die Entwürfe nach Winkel, Wagner und Robinson (siehe Abbildungen unten). (BW)

Die flächentreue Mollweide Projektion (© DGfK, 1985)

Die flächentreue Mollweide Projektion (© DGfK, 1985, S. 5)

Die flächentreue Eckert Projektion (© DGfK, 1985)

Die flächentreue Eckert Projektion (© DGfK, 1985, S. 5)

 

 

 

 

 

 

 

Die flächentreue Behrmann Projektion (© DGfK, 1985)

Die flächentreue Behrmann Projektion (© DGfK, 1985, S. 4)

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Verzerrungsellipsen zeigen die Verzerrungseigenschaften der Behrmann Projektion (Stefan Kühn, CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons).

 

 

 

 

 

 

 

 

Die vermittelnde Wagner Projektion (© DGfK, 1985)

Die vermittelnde Wagner Projektion (© DGfK, 1985, S. 5)

Verzerrungsellipsen zeigen die Verzerrungseigenschaften der vermittelnden Robinson Projektion (Stefan Kühn (Eigenes Werk), CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons)

Verzerrungsellipsen zeigen die Verzerrungseigenschaften der vermittelnden Robinson Projektion (Stefan Kühn, CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons).

 

 

 

 

 

 

 

 

Links und weiterführende Informationen

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kartographie (DGfK) und des Verbandes der Landkartenverlage in Deutschland zur Peters-Projektion, 1985

ARTE, Die Karten der Anderen, Erstausstrahlung März 2009

Kai Krause, The true size of Africa (PDF) und eine Gegenschrift von Kenneth Field unter Verwendung einer flächentreuen Projection.

Video von National Geographic „Selecting a Map Projection“ (EN)

Comic „What your favourite map projection says about you“ (EN)

The West Wing Episode “Why are we changing maps?” (Video, EN)

Spiel von Oxfam für Kinder, das das Thema Projektionen thematisiert (EN)

Artikel über die Präferenzen der Nutzer bei Projektionen für Weltkarten: B. Šavrič, B. Jenny, D. White  und D. R. Strebe (2014). User preferences for world map projections. CAGIS.

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/2015/02/04/die-peters-projektion/feed/ 4
Die Hereford mappa mundi /2015/01/14/die-hereford-mappa-mundi/ Wed, 14 Jan 2015 15:30:11 +0000 /?p=776 Mappae mundi sind mittelalterliche Weltkarten, die uns heute wichtige Einblicke in das Weltbild der Ersteller geben. Die größte erhaltene mittelalterliche Weltkarte, die wir hier vorstellen, ist die Hereford mappa mundi aus dem 13. Jahrhundert, die heute in der Kathedrale von Hereford (GB) ausgestellt wird und zum Dokumentenkulturerbe zählt.]]>

Serie „Karten und Gesellschaft“

Karten haben schon immer die Gesellschaft geprägt und umgekehrt – als Datenspeicher und Hilfsmittel zur Orientierung, aber auch als Mittel des Ausdrucks von Einheit oder Macht. Unsere Beiträge der Serie „Karten und Gesellschaft“, zum Start des International Map Year, skizzieren diese Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Karte. Wir stellen Ihnen drei Weltkarten vor, die das Weltbild der Zeit der Erstellung bzw. der Ersteller kristallisieren, die Sicht der Menschen auf die Welt beeinflussen und die Interaktion der Menschen mit der physischen Umwelt thematisieren.

Mappae mundi sind mittelalterliche Weltkarten, die uns heute wichtige Einblicke in das Weltbild der Ersteller geben. Die größte erhaltene mittelalterliche Weltkarte, die wir hier vorstellen, ist die Hereford mappa mundi aus dem 13. Jahrhundert, die heute in der Kathedrale von Hereford (GB) ausgestellt wird und zum Dokumentenkulturerbe zählt. Beispiel einer deutschen mappa mundi ist die Ebstorfer Weltkarte, die im Benediktinerkloster Ebstorf in der Lüneburger Heide wiederentdeckt wurde, aber 1943 verbrannte.

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Ansicht der gesamten Karte © Hereford Cathedral

Die Hereford-Karte wurde von Richard of Haldingham und Lafford kreisförmig mit Asien oben, Europa links und Afrika rechts – also „geostet“ – auf Kalbspergament gemalt. Diese Anordnung der damals bekannten Kontinente entspricht dem im Mittelalter üblichen, sogenannten T-O-Schema. Die Karte spiegelt vor allem das religiöse, aber auch geographische Weltbild des mittelalterlichen christlichen Europas, sowie auch das Wissen der damaligen Zeit. Dementsprechend befindet sich Jerusalem im Zentrum der Karte, über den Kontinenten befinden sich eine Abbildung Christi und der Garten Eden. Zusätzlich zu den Kontinenten zeigen sich ungefähr 500 detaillierte Zeichnungen und Beschriftungen, 420 Städten, 15 biblischen Ereignissen, 33 Pflanzen, Tiere und Kreaturen, 32 Bilder der Völker der Erde und 8 Zeichnungen der klassischen Mythologie (Hereford Cathedral, Januar 2015). So ist beispielsweise Sizilien mit dem feuerspeienden Ätna dargestellt.

Sizilien mit Ätna

Die Insel Sizilien mit dem feuerspeienden Ätna in einer farbveränderten Version © The Folio Society

Besonders eindrücklich und interaktiv lassen sich diese Details auf der Webseite der Karte erkunden. Hier werden sie in Großaufnahme gezeigt und erklärt, sowie eine kontrastverstärkte Variante und ein 3D Scan zusätzlich zum vergilbten Original angeboten. Die Erstellung dieses Scans wurde in einer kurzen Dokumentation aufbereitet.

Abb. 3: Detilausschnitt: Jerusalem, im Bild als kreisförmiges Symbol links oben, befindet sich im Zentrum der Karte, darunter ist das Mittelmeer zu sehen und rechts außen der Nil. © Herford Cathedral

Detailausschnitt: Jerusalem, im Bild als kreisförmiges Symbol links oben, befindet sich im Zentrum der Karte, darunter ist das Mittelmeer zu sehen und rechts außen der Nil. © Hereford Cathedral

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Die Anordnung der Kontinente folgt einem modifiziertem T-O-Schema mit Asien oben, Europa links und Afrika rechts, die Abbildung rechts verdeutlicht die Struktur. Links ist eine kontrastverstärkte Reproduktion zu sehen. © atlantismaps.com

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Die Reproduktion eines Kartenausschnitts der britischen Inseln. Deutlich werden der hohe Detailgrad der Zeichnungen und die wechselnde Orientierung, sodass Häuser aus verschiedenen Perspektiven im Aufriss dargestellt werden. © lizenziert unter Public Domain über Wikimedia Commons

Weitere Information

Mappa Mundi Hereford Cathedral: offizielle interaktive Seite zur Exploration der Karte
Link zur Hereford Cathedral
Video Podcast über die Hereford mappa mundi (EN, 4:29 Min.)
Video der Erstellung eines 3D Laserscans der Karte (EN, 11:52 Min.)
Brotton, Jerry (2012). A History of the World in Twelve Maps, Kapitel 3, Faith: Hereford Mappamundi, ca. 1300, Penguin Books: London.

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