Anita Graser – Die bemerkenswerte Karte https://bk.dgfk.net Eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Kartographie e. V. (2012-2017) Sun, 16 Jul 2023 13:00:25 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.2.2 Urbane Mobilitätsmuster entdecken /2016/08/15/urbane-mobilitaetsmuster-entdecken/ Mon, 15 Aug 2016 15:03:37 +0000 /?p=1472 Visualisierungen von Mobilitätsdaten wie Taxifahrten und Ausleihvorgängen in BikeSharing-Systemen sind in den letzten Jahren sehr zahlreich geworden. Eines der schönsten aktuellen Beispiele ist cf. city flows entwickelt von Till Nagel und Christopher Pietsch an der FH Potsdam. Das Visualisierungssystem stellt die Fahrten in BikeSharing-Systemen in New York, Berlin und London eindrucksvoll und auf verschiedenen Detailstufen dar, von Überblicksdarstellungen der ganzen Stadt bis zum detaillierten Vergleich einzelner Stationen:

Besonders spannend sind auch die Einblicke in den Designprozess, die im Methodology-Abschnitt der Projektwebseite gewährt werden. Verschiedenste Ansätze zur Darstellung der Verkehrsflüssen zwischen den Stationen wollten getestet werden. Aufbauend auf ersten einfachen Karten von per Luftlinie verbundenen Stationen können die getroffenen Designentscheidungen nachvollzogen werden:

Das Resultat ist eindrucksvoll. Vor allem die animierten Fahrten vermitteln die Dynamik der urbanen Mobilität und sind extrem gut gelungen:

Ein Schwachpunkt dieser (und vieler ähnlicher Projekte) sind jedoch die zugrunde liegenden Daten. Dies wird auf der Projekt-Webseite auch konkret angesprochen:

Lacking actual GPS tracks, the trip trajectories are rendered as smooth paths of the calculated optimal bike routes

Soll heißen: Die tatsächlich zurückgelegte Strecke zwischen Entleihstation und Rückgabestation ist nicht bekannt. In diesem Fall wurde sie mithilfe des Routingalgorithmus von HERE berechnet. Betrachter der Visualisierungen sehen also nur eine von vielen möglichen Routen. Radfahrer wählen jedoch nicht notwendigerweise die direkteste oder anderweitig von einem Algorithmus bevorzugte Route. Dieser Unsicherheit bei der Routenwahl wird in den Darstellungen kaum Rechnung getragen. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die Nutzer des Systems tatsächlich und nachweislich auf bestimmten Wegen unterwegs gewesen wären. Es wäre daher bedenklich von diesen Darstellungen auf die Popularität bestimmter Routen (z.B. für die Stadtplanung) schließen zu wollen. Dazu kommt, dass wir nur die erfüllte Nachfrage betrachten können, da nur tatsächlich erfolgte Fahrten aufgezeichnet werden. Nachfragewerte nach Fahrten, die wegen fehlender Fahrräder oder Stationen nicht stattfinden konnten, fehlen daher in diesen Betrachtungen.

Wie so oft gilt also auch hier Vorsicht bei der Interpretation von Statistiken und Visualisierungen. Dann kann man sich auch zurücklehnen und die Animationen genießen.

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Interaktive Erreichbarkeitskarten /2016/03/09/interaktive-erreichbarkeitskarten/ /2016/03/09/interaktive-erreichbarkeitskarten/#comments Wed, 09 Mar 2016 07:00:25 +0000 /?p=1363 Reisen haben schon immer die menschliche Fantasie beflügelt. Karten für Reisende und von Reisenden vermitteln uns ein Verständnis für Distanzen, aber auch für die Zeit, die notwendig war und ist, um von einem Ort zum anderen zu gelangen.

Erreichbarkeitskarten oder Isochronenkarten sind keine Innovation der letzen Jahre. Dies Art der Darstellung von Regionen, die innerhalb eines gewissen Zeitraums erreicht werden können, ist schon über hundert Jahre Teil der Repertoires von Kartographen. Reisende und solche, die es gerne werden wollten, konnten sich so, anhand sorgfältig aufbereiteter Karten über die zu erwartende Reisezeit informieren.

Isochronenkarte von Francis Galton für die Royal Geographical Society, 1881

Isochronenkarte von Francis Galton für die Royal Geographical Society, 1881

Im Zeitalter der Online-Reiseplaner und Fahrplan-Apps gibt es für Reisende tagesaktuelle und weit detailliertere Informationen. Nichtsdestotrotz erleben Erreichbarkeitskarten spätestens seit Spiekermann (1999) eine Renaissance, vor allem dank moderner Webmapping-Technologien und digital verfügbaren Reisezeitdaten.

Isoscope ist ein Projekt von Studenten der FH Potsdam, das Erreichbarkeiten mit dem Auto und zu Fuß mithilfe von tageszeitabhängigen Isochronen darstellt. Die Erreichbarkeiten werden dabei von der API der Firma HERE abgefragt und in einer interaktiven Leaflet-Karte visualisiert. Per Klick kann zwischen Reisezeiten von 2 und 10 Minuten gewechselt werden. Per Mouseover kann ausgewählt werden, welche der 24 Tageszeit-Isochronen hervorgehoben werden soll. Dieses Feature ermöglicht es die Auswirkung der Tageszeit auf die Erreichbarkeit bequem zu erkunden.

Während Auto- und Fußgängerisochronen schöne zusammenhängende Gebiete bilden, stellen Isochronen im öffentlichen Verkehr eine andere Herausforderung dar. Da öffentliche Verkehrsmittel in der Regel nur an vordefinierten Haltestellen Fahrgäste ein- und aussteigen lassen, entstehen Inseln und Löcher in den Erreichbarkeiten. Mapnificient ist ein Projekt von Stefan Wehrmeyer, das interaktive ÖV-Isochronen bis zu 60 Minuten Reichweite für zahlreiche Städte weltweit bietet. Um jede erreichbare ÖV-Station wird das in der verbleibenden Zeit zu Fuß erreichbare Gebiet hervorgehoben. Die Erreichbarkeit wird dabei mit Kreisen angenähert, was optisch ansprechende, aber natürlich nicht immer korrekte Ergebnisse liefert.

Ebenfalls mit dem öffentlichen Verkehr beschäftigt sich das Projekt Timemaps von Vincent Meertens. Diese Visualisierung treibt Interaktivität und Dynamik einen Schritt weiter und verzerrt den Raum abhängig von der Reisezeit zu verschiedenen Orten in ebendiesem Raum. Durch Klick in die Karte kann das Zentrum der Erreichbarkeitskarte einfach verändert werden. Die Kombination aus Verzerrung und Reduktion (v.a. das Fehlen von Beschriftungen zumindest größerer Städte) ist optisch ansprechend, aber für Nutzer ohne besondere Ortskenntnisse schwierig zu interpretieren.

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