Gerardus Mercators Atlas

Serie „Die technische Entwicklung der Karten- und Atlasproduktion“
Aufgrund ihrer Wichtigkeit in Wirt- und Wissenschaft haben kartografische Produkte von je her einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. So ist es nicht verwunderlich, dass bei ihrer Herstellung und Reproduktion häufig auf den „State of the Art“ der jeweiligen Technik zurückgegriffen wurde. In der Serie „Die technische Entwicklung der Karten- und Atlasproduktion“ werden anhand mehrerer ausgewählter Atlanten die jeweils eingesetzten Vorgehensweisen und Techniken skizziert.

Titelbild aus Mercators Atlas (ULB Darmstadt)

Titelbild aus Mercators Atlas (ULB Darmstadt)


Im zweiten Jahrhundert fertigte der griechische Gelehrte Ptolemäus seine Geographike Hyphegesis an, eine Zusammenstellung von Karten der in der Antike bekannten Welt. Da die weitere Erkundung der Erde und die kartografische Entwicklung bis zum Ende des Mittelalters nur langsam voranschritt, hatte Ptolemäus‘ Werk viele Jahrhunderte durch seine damit kaum schwindende Richtigkeit und „Aktualität“ einen Nutzen für seine Besitzer. Tatsächlich sind nur spätere Kopien des Werkes erhalten geblieben. Nach Erfindung des Buchdrucks wurden im 15. Jahrhundert auch gedruckte, aktualisierte Kopien angefertigt.

1570 veröffentlichte der Niederländer Abraham Ortelius das Theatrum orbis terrarum. Es enthielt eine Sammlung von 70 Karten der bekannten Welt in verschiedenen Massstäben von global bis lokal. Als Kartenhändler hatte Ortelius einen großen Fundus existierender Karten. Das Theatrum war eine Zusammenstellung solcher, was zu einer Heterogenität in Sachen Qualität und Aussehen führte.

Während dies wohl der erste „moderne“ Atlas gewesen war, so ist es Gerardus Mercators 25 Jahre später veröffentlichtes Werk Atlas, sive Cosmographicae Meditationes de Fabrica Mundi et fabricati figura, welches zum Muster späterer Atlantenwerke wurde. Der Begriff „Atlas“ selbst geht auf eben dieses Werk zurück. Mercator widmete die Kartensammlung der griechischen Sagengestalt Atlas, dem geografisch und kosmologisch kundigen König von Mauretanien.

Europa (Ausschnitt) in Mercators Atlas (Public Domain, Library of Congress)

Europa (Ausschnitt) in Mercators Atlas (Public Domain, Library of Congress)

Im Gegensatz zu Ortelius‘ Kurationstätigkeit stellte Mercator seine Karten selbst her. Als erfahrener Vermesser, Kartograf, Schriftkünstler und Graveur hatte er alle Fähigkeiten, die für die Herstellung einer homogenen, einheitlichen Kartensammlung von Nöten waren. So war nicht nur das Aussehen der verschiedenen Karten einheitlich, auch die Massstäbe der einzelnen Serien waren aneinander angepasst, was eine direkte Vergleichbarkeit und die Kompilation einer Übersicht ermöglichte. So verwenden sämtliche Karten ein einheitliches Koordinatensystem und eine konsistente Symbolik. Die Einführung der „italienischen“ kursiven Schriftzeichen etablierte die Verwendung dieser in der Kartografie.

Friesland (Ausschnitt) in Mercators Atlas (Public Domain, Library of Congress)

Friesland (Ausschnitt) in Mercators Atlas (Public Domain, Library of Congress)

Der Atlas wurde im Kupferstichverfahren hergestellt, was bedeutete, dass die Kolorierung der gedruckten Blätter nachträglich manuell durchgeführt werden musste, sofern dies denn im Budget des Käufers möglich war. Die Einfärbung der gedruckten Karten war eine Zeitlang ein eigener Beruf.

Jede Karte begleiten Textstücke, welche die Besonderheiten der jeweiligen Länder, ihrer Einwohner, der Geschichte erzählen, von Mythen und politischen Geplänkel, in durchaus subjektiver Sprache. Sein Wissen schöpfte Mercator aus existierender Literatur, eigener Forschung sowie über seine Korrespondenz mit anderen zeitgenössischen Gelehrten.

Zu Großbritannien etwa schreibt er (hier in der Übersetzung von David Sullivan):

Indeed, Britain is the work of joyous nature; nature seems to have created her like another world outside the world, for the pleasure of the human race, and to have limned her singularly like a shape of utmost beauty and a universal ornament, with such gemlike variety and pleasant painting that the eye of whosoever falls on her is refreshed. I shall not mention the inhabitants, with their perfect physical appearance, most seemly manners, gentlest spirits, and greatest souls, whose virtue, in deeds at peace and in war is most amply attested to throughout the entire world.

Einzelne Teile des Atlas waren bereits veröffentlicht als Mercator 1594 im Alter von 82 Jahren verstarb. Das Gesamtwerk wurde erst 1595 posthum unter Anleitung seines Sohnes Rumold gedruckt, welcher ebenfalls Kartograf geworden war.

Dank des ja mittlerweile seit Jahrhunderten ausgelaufenen Urheberrechts gibt es mehrere frei zugängliche Online-Gallerien des Atlas, diese finden sich in den weiterführenden Links.

Links und weiterführende Informationen

Ein interaktives PDF mit Hintergrundinformationen und einer englischen Übersetzung von der Lessing J. Rosenwald Collection

Eine kurze Zusammenfassung des Faksimile Verlags

Online-Gallerien von Mercators‘ Atlas:
Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (Empfehlung, da geglättete Seiten)
US Library of Congress
Gallica, la bibliothèque numérique de la Bibliothèque nationale de France