Migranten in Berlin, eine interaktive Karte

Dynamische Karten sind im Onlinejournalismus groß im Trend. Sie sind bunt, sie sind interaktiv und sie locken damit eine große Anzahl von Besuchern an. Allerdings kommen viele dieser Karten aus der Hand von Laien, welche lang etablierte kartografische Grundsätze und „Best Practises“ nicht kennen. So entstehen tagtäglich Karten mit nicht normalisierten Bevölkerungsstatistiken, fragwürdigen Farbschemata oder übermäßig komplexen Darstellungsformen.

Karte der Migranten in Berlin

Karte der Migranten in Berlin

So bunt sind Berlins Kieze – Migranten machen den Mauerverlauf sichtbar ist eine bemerkenswerte Ausnahme. Diese von Julius Tröger, Moritz Klack, André Pätzold und David Wendler für die Berliner Morgenpost angefertigte Karte zeigt den jeweils dominanten Anteil von Migranten in den Berliner „Kiezen“. So wird sichtbar, dass entlang des Verlaufs der ehemaligen Berliner Mauer auch eine Art „Migrantenmauer“ entstand.

Die Karte beschränkt sich auf das Wesentliche. Ortsteile (hier aufgrund der Datengrundlage sogenannte lebensweltlich orientierte Räume) von Berlin sind jeweils nach ihren Eigenschaften einfarbig eingefärbt. Die Namen weniger, ausgewählter Ortsteile beziehungsweise Bezirke sind als Beschriftungen eingefügt. Den eigentlichen Kartenhintergrund bildet eine subtile Betontextur, welche der Betrachter nur ausserhalb Berlins sowie im praktisch unbewohnten Grunewald sieht. Als Kartenlegende werden die Farben und prozentualen Migrantenanteile der „Top 10“-Herkunftsländer angezeigt.

Detaillierte Auflistung der Migranten-Anteile eines beispielhaft ausgewählten Ortsteils

Detaillierte Auflistung der Migranten-Anteile eines beispielhaft ausgewählten Ortsteils

Ein besonderes Problem dieser Karte sind die Farben. Die Autoren wiesen den dargestellten Ländern Farben zu, welche sich teilweise stark ähneln. Durch die Veränderung von Sättigung und Helligkeit je nach tatsächlichem Anteil der jeweiligen Migranten wird die Farbe weiter variiert. So gibt es für jedes Land tatsächlich einen Farbverlauf, nicht nur eine einzelne Farbe. Russland, Serbien und China zum Beispiel sind mit Grünschattierungen gekennzeichnet. In relativ wenig von entsprechenden Migranten bewohnten und somit hellen Flächen sind sie kaum zu unterscheiden und aufgrund des geringem Kontrasts unscheinbar im visuellen Hintergrund.

Berliner Kieze, in denen verhältnismäßig viele Vietnamese leben

Berliner Kieze, in denen verhältnismäßig viele Vietnamese leben

Aber entspricht dies nicht eigentlich genau der Intention der Karte eben diejenigen Ortsteile prominent darzustellen, in denen im absoluten Verhältnis viele Migranten eines Landes leben? Ich denke dies ist geglückt. Notfalls ist dem Benutzer die tiefere Exploration der Daten durch einen Mausklick auf einen Ortsteil möglich, dann werden sämtliche bekannten Herkunftsländer und ihre Anteile an der jeweiligen Einwohnerzahl aufgelistet.

Neben der Kartendarstellung an sich ist auch ein explorativer/geführter Aspekt vorhanden. Per Klick auf ein Herkunftsland in der Legende werden diejenigen zehn Ortsteile hervorgehoben, in welchen der jeweilige Migrantenanteil besonders hoch ist. Teilweise zeigen sich auch hier Strukturen, zum Beispiel leben in Ortsteilen im Nordosten Berlins verhältnismäßig viele Migranten aus Vietnam.

So bunt sind Berlins Kieze – Migranten machen den Mauerverlauf sichtbar zeigt, dass eine sorgfältig umgesetzte dynamische Web-Karte nicht nur schön anzusehen ist, sondern durch ihre Interaktivität eben auch die Stärken des Mediums ausspielen kann. Mehr davon! (JK)